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Das gängigste Prinzip der Bilderzeugung mit Röntgenstrahlen besteht darin, die Energie der Röntgenquanten mittels sogenannter Szintillato- ren in Licht und dieses Licht in elektrische Ladung zu verwandeln, die per Bildpixel aufsummiert und als Grauwert dargestellt wird. Im Gegensatz dazu ist die direkt- konvertierende Photon-Counting-Technologie in der Lage, den Zwischenschritt der Lichtkonversion zu überspringen und nicht nur ein summatives Röntgenbild darzustellen, sondern jedes einzelne Röntgenquant zu zählen.

Die allermeisten der in der diagnostischen Bildgebung ein- gesetzten indirekt-digitalen Röntgendetektoren basieren auf der Szintillationstechnologie und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der verwendeten Szintillatoren. Szintillatoren absorbieren die Energie des eintreffenden Röntgenquants und wandeln diese in Lichtimpulse um, die anschließend in einem Halbleiterelement eine Ladung erzeugen und so gemessen werden können. Gängige Szintillationsmaterialien sind zum Beispiel Cäsiumjodid (CsI) oder Gadoliniumoxid (GdOx). Beide besitzen unterschiedliche Eigenschaften, doch das Prinzip ist stets dasselbe: Röntgenstrahlung zu Licht, Licht zu Ladung und Integration der Ladung zu einem Bildsignal.

Rauschen wird eliminiert

Das Unternehmen Direct Conversion hat sich auf die Entwicklung von Röntgendetektoren spezialisiert, die auf sogenannten direkt-konvertierenden Materialien basieren und somit den Zwischenschritt der Umwandlung von Röntgenstrahlung in Licht eliminieren, da diese Materialien die Energie der Röntgenquanten direkt in elektrische Ladung konvertieren.

Im Gegensatz zu den bisher bekannten Verfahren liefert Photon-Counting für jedes einzelne Pixel die Anzahl an gezählten Photonen und nicht nur integrierte Grauwerte. Das erfordert ein Umdenken und neue Algorithmen
zur Bildbearbeitung.

Diese Direktkonvertierung ermöglicht es, die Energie jedes einzelnen Röntgenquants zu messen und somit spektroskopi-sche (energieaufgelöste) Aufnahmen zu erzeugen. Gleichzeitig kann durch Schwellensetzung das elektronische Rauschen komplett eliminiert werden, was diese Detektoren für Aufnahmen mit sehr niedriger Strahlendosis prädestiniert. Gängige Detektormaterialien, die gegenwärtig eingesetzt werden, sind Cadmium Tellurid (CdTe) und Cadmium-Zink-Tellurid (CZT), auch Silizium (Si) und Galliumarsenid (GaAs) kommen bei niedrigen Energien zum Einsatz. „Die Photon-Counting- Detektoren verfügen über einen gewaltigen Vorteil: Jedes einzelne eintreffende Röntgenphoton kann gezählt und dessen Energie bestimmt werden. Durch Schwellensetzung lässt sich das Rauschen komplett eliminieren. CdTe ist zudem fast so dicht wie Blei und absorbiert einen großen Anteil der Strahlung, was zu einer hohen Empfindlichkeit führt“, erklärt Dr. York Hämisch, Direktor bei Direct Conversion und zuständig für den Technischen Vertrieb und Business Development im medizinischen und Forschungsbereich. „Gleichzeitig ist die räumliche Auflösung besser als bei herkömmlichen Detektoren, da es nicht zu einer ‚Verschmierung‘ des Signals durch die Lichtausbreitung kommt und die Auflösung wird bei zunehmender Detektordicke nicht schlechter.“

Photonenzählende Detektoren funktionieren bereits sehr zuverlässig und werden in industriellen Anwendungen in großer Zahl eingesetzt, so dass nun auch mehrere CT-Hersteller eigene Prototypen mit photonenzählenden Detektoren im klinischen Einsatz erproben. Die erwarteten klinischen Vorteile sind vielfältig, zum Beispiel können bisher zweiphasige Untersuchungen mit jeweils einer frühen und einer späten Phase, in einem Arbeitsgang durchgeführt werden. Womit nicht nur die Anzahl an Untersuchungen, sondern auch die Strahlendosis der einzelnen Untersuchung sowie die eingesetzte Kontrastmittelmenge gleichzeitig reduziert werden können.

Materialien differenzieren

„Bereits mit den bisher verfügbaren Photon-Counting-Detektoren ist es möglich, zwei Energieniveaus eindeutig voneinander zu unterscheiden. Photonen, deren Energie unterhalb eines voreingestellten Schwellwerts liegt können separat von denen, die oberhalb des Schwellwerts liegen, aufgenommen und zum Beispiel voneinander subtrahiert werden. Solch ein System erlaubt damit, gewebespezifische Bilder aus einer Untersuchung zu erzeugen und zum Beispiel bei Lungenaufnahmen die Rippen zu „eliminieren“, um eine bessere Erkennbarkeit der Lunge zu gewährleisten. Gleichzeitig lässt sich auf diese Weise auch der Anteil der Streustrahlung, die bei den heute gängigen Detektoren einen großen Anteil an der Reduktion der Bildqualität hat, signifikant reduzieren“, bestätigt Dr. Hämisch.

Dr. York Hämisch: „Eine erste klinische Anwendung unseres Photon-Counting-Detektors ist die Mamma-CT, wo der Hersteller Advanced Breast CT GmbH mit hoher Auflösung und etwa gleicher Dosis wie bei einer konventionellen Mammographie eine hervorragende Bildqualität erzielt.“

Die neue Technologie eignet sich generell dazu, verschiedene Gewebearten oder auch Kontrastmittel zu unterscheiden, nicht nur in medizinischen Anwendungen. „In der Lebensmittelindustrie können so beispielsweise die Knochen oder Gräten von Hühnern oder Fisch dargestellt und sukzessive entfernt oder Verunreinigungen in Müslimixturen detektiert werden. Und dies in der laufenden Produktion bei Bandgeschwindigkeiten von bis zu 1 m/s.“ Denn auch in industriellen Anwendungen kommen Röntgendetektoren sehr häufig zum Einsatz. Dr. Hämisch erklärt: „Neben der Lebensmitteltechnik gibt es viele weitere Anwendungen in der Industrie, die von den neuen Detektoren profitieren: Luftblasen unter Hochleistungschips, die zum Beispiel in Elektrofahrzeugen eingesetzt werden, vermindern die Wärmeabfuhr und führen zu Komponentenausfällen oder sogar Bränden. Diese können nun besser erkannt und somit der Ausfall dieser Bauteile reduziert werden. Elektronische Komponenten und ganze Mobiltelefone werden auf Vollständigkeit der Bauteile, korrekten Sitz der Stecker und die Qualität der Lötstellen hin untersucht. Dies in der laufenden Produktion bei hoher Geschwindigkeit und trotzdem so, dass maschinelle Algorithmen die Bilder auswerten können. Ein weiteres großes Einsatzgebiet der neuen Detektoren ist die Kontrolle von Schweißnähten an Pipelines unter zum Teil rauen Bedingungen.“

Das Prinzip der Photon-Counting-Detektoren von Direct Conversion basiert auf der räumlichen und zeitlichen Erfassung (Zählung) jedes Röntgenquants, während herkömmliche Detektoren die Röntgenstrahlung über die Aufnahmezeit summieren und damit keinen Zugriff auf die Information über einzelne Röntgenquanten erlauben. Eine der großen technischen Herausforderungen für das Design eines solchen Detektors ist die Zählgeschwindigkeit, da zum Beispiel in einem klinischen CT System das „Bombardement“ des Detektors mit bis zu 10 8 – 10 Photonen / (s mm2) erfolgen kann. Das System muss also dem hohen Fluss bzw. der statistischen Häufigkeit der Quanten Rechnung tragen und trotzdem noch die Quanten entsprechend ihrer Energie bestimmten Speichern oder „Töpfen“ zuordnen, so dass mit einer Exposition mehrere Bilder – je nach Anzahl der „Töpfe“ – entstehen. Dr. Hämisch: „Photon-Counting erlaubt, mehr Information aus Röntgenbildern zu extrahieren. Im Falle unserer gegenwärtig verfügbaren Detektoren erhält man durch die Nutzung der beiden Energieschwellen mindestens drei verschiedene Bilder, die unterschiedliche Information beinhalten und aus denen durch mathematische Operationen weitere Informationen gewonnen werden können.

Zukünftig sechs Energieschwellen

Wie es aussieht, wird die Erfolgsstory der direkt-konvertierenden, photonenzählenden Detektoren kaum aufzuhalten sein. Auf dem RSNA 2019 stellte das schwedische Unternehmen, das seit Mai 2019 zur amerikanischen Varex Imaging Corp. gehört, bereits die nächste Entwicklungsstufe ihres Detektors vor. Die „XC-Pyxis“ genannte Technologie verfügt über sechs Energieschwellen pro Pixel, erlaubt durch Anwendung neuer Halbleitertechnologien das Design beliebiger großer Detektoren und vervielfacht damit die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Methode. Wir sprechen nun nicht mehr nur von Dual-Energy- sondern von Multi-Energy-Bildgebung.

In der medizinischen Anwendung haben Photon- Counting-Detektoren nicht nur das Potenzial, die Dosis oder die Zahl an Untersuchungen, sondern auch die Menge des verwendeten Kontrastmittels zu reduzieren.

Direct Conversion bringt damit Farbe ins Röntgen, denn den unterschiedlichen Energiefenstern können Farben zugeordnet werden. Neben der Gewebedichte ist mit der XC-Pyxis-Technologie auch die Konzentration unterschiedlicher Materialien im Körper nachweisbar. Kontrastmittel wie Jod oder Gadolinium können energetisch exakt eingegrenzt werden, genauso wie auch zum Beispiel Gold- oder andere Nanopartikel. „Bei der neuen Technologie arbeiten wir mit 150 µm² großen Pixeln. Auf einem Chip mit einer Kantenlänge von etwa 19 × 19 mm² befinden sich 128 × 128 Bildpunkte,“ beschreibt Dr. Hämisch die Technologie.

„Darüber hinaus verfügen die neuen Chips noch über einen weiteren Vorteil: Sie sind nicht mehr an den Seiten verdrahtet sondern über ihre Rückseite kontaktiert. Dadurch können die einzelnen Halbleiterelemente quasi nahtlos zu großen Detektoren mit mehreren 100.000 Pixeln aneinandergereiht werden. Für die Anwendung im klinischen CT bedeutet dies einen Quantensprung.“ Die Unterscheidung sechs verschiedener Energieniveaus bedeutet allerdings auch, dass die sechsfache Bildinformation vom Detektor zur Konsole übertragen werden muss. Derzeit stellen die Datentransferraten den Flaschenhals der Technologie dar, der die maximal mögliche Datenmenge limitiert, die pro Zeiteinheit ausgelesen werden kann. Eine leistungsfähige Datenpufferung sorgt dafür, dass es möglich ist, den Detektor während der Messung weiter auszulesen. Doch Chips und Interfaces werden ebenfalls immer schneller.

Komplexität nimmt zu

Momentan verfügen die 100 µm²-Pixel- Chips etwa über 2500 Transistoren pro Pixel, deren Verschaltungen den Vergleich von bestimmten Schwellwerten und das Sortieren in die unterschiedlichen Töpfe ermöglichen. Das geschieht sowohl analog als auch digital. Im Fachjargon spricht man von Mixed-Signal ASICs (anwendungsspezifische integrierte Schaltungen). Dr. Hämisch über weitere Entwicklungsschritte der Photon-Counting-Technologie: „Eine wesentliche Anforderung ist die Stabilisierung und Kalibrierung der Detektoren, um auch quantitativ messen zu können. Alle Schaltungen müssen sehr temperatur-stabil sein und über integrierte Kalibrierungsroutinen verfügen. Auf sehr kleinem Raum sehr viele Funktionen unterzubringen ist eine technologische Herausforderung, die aber in der mikro-elektronischen Fertigung mittlerweile sehr gut gemeistert wird.“

Der neue Chip mit den sechs Energieniveaus verwendet mit 150 × 150 µm zwar etwas größere Pixel als der vorherige, um die gesamte Elektronik unterzubringen. Da das antizipierte Haupteinsatzgebiet dieser Entwicklung das klinische CT ist und dort die räumliche Auflösung derzeit bei 0,5 bis 1 mm liegt, stellen auch hier 150 oder 300 µm einen großen Schritt nach vorn dar.

www.directconversion.com