Das Ziel besteht darin, den Anwenden- den nicht nur isolierte Findings anzu- zeigen, sondern genau zu verstehen, wo und wann welche Information einen Beitrag für die Diagnose und weitere Entscheidungen liefert. þ Was halten Sie für den richtigen Zeit- punkt, um mit KI zu beginnen? Sollte man gleich loslegen oder ist es besser noch zu warten? Meines Erachtens ist jetzt ein guter Zeit- punkt einzusteigen, da man noch in die weitere Entwicklung involviert ist. Momentan entscheidet sich, wo die Reise hingeht. Obwohl es sich bei fast allen Herstellern um reife Produkte han- delt, ist das Interessante zur Zeit der Fein- schliff und die Weiterentwicklung: Die Lösungen weiter zu verbessern, die Rolle von KI zu gestalten und optimal auf die jeweilige Anwendung vor Ort anzupas- sen. Und das passiert genau jetzt. þ Wie sieht es denn zukünftig mit der Validierung der Algorithmen aus? Die Anwender:innen wollen ja durchaus wis- sen, wieso und weshalb der Algorithmus zu seinem Ergebnis kommt? Die Forderung nach der Validierung von KI-Lösungen finde ich wichtig und richtig. Algorithmen müssen natür- lich validiert sein. Das findet bei uns im Rahmen von Benchmarks statt und wird anhand zahlreicher wissenschaft- licher Studien belegt. Gleichzeitig ist die Erklärbarkeit der Ergebnisse wichtig. Da spielen zum Beispiel Vergleichsfälle eine wichtige Rolle, da sie die Begrün- dung transparent machen. Dabei ist ein zentraler Punkt, dass Hersteller sehr klar kommunizieren, was die Software kann und was nicht. Anwenderinnen und Anwender bestätigen, dass sie mit- hilfe von KI nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch bessere Ergebnisse erzie- len, weil zum Beispiel Beobachtungen quantifizierbar werden. Ganz unabhängig davon müssen alle Hersteller ihre jeweiligen Systeme im Rahmen der MDR (Medical Device Regu- lation) als Medizinprodukt zulassen. Und während des Zulassungsprozesses gilt es sicherzustellen, dass die Qualität und Sicherheit gewährleistet wird. Ein ebenfalls wichtiger Aspekt sind Feedbackschleifen, die Hersteller benötigen, um die Systeme ständig weiterzuentwickeln und gemeinsam mit den Nutzer:innen ihre Einbindung in die klinische Routine zu verbessern. KI-Algorithmen werden immer genauer, je mehr man sie anhand realer und diver- ser Daten trainiert. Hersteller benötigen eine Rückmeldung bestätigter Untersu- chungsergebnisse aus dem Alltagsbe- trieb, um die Algorithmen zu verbessern und an die sich ändernde Versorgung anzupassen – da passiert gerade viel auf dem Gebiet des Continual Learning. þ Gibt es Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn ich mich als Radiolo- gin oder Radiologe mit der Integration von KI-Algorithmen befasse? Wie bereits beschrieben, muss man die Nutzung von KI über die eigenen Abteilungsgrenzen hinaus denken und diejenigen, die diagnostische Daten erheben, genauso mit einbeziehen wie diejenigen, die von der Radiologie in Entscheidungsprozessen mit Daten und Informationen beliefert werden. Technisch gesehen reicht über- schaubare Rechenleistung, um Schnitt- stellen zwischen den einzelnen IT-Sys- temen herzustellen. Anders sieht es bei den Anforderungen für die auto- matisierte Bildanalyse aus. Bei On-Pre- mise-Lösungen ist es vorteilhaft, über eine leistungsstarke GPU zu verfügen, Cloud-Lösungen können aber insge- samt effizienter sein und werden mit der Herstellung datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen auch praktikabel. Mit der Integration von KI bereiten wir uns im Prinzip schon auf den nächs- ten Entwicklungsschritt vor: Integrated Diagnostics. Dabei geht es um den intensiven, intersektoralen und inter- I M G E S P R Ä C H contextflow ist ein Spin-off der Medizinischen Universität Wien (MUW) und des europäi- schen Forschungsprojekts KHRESMOI, das von der Technischen Universität Wien (TU) unterstützt wird. Das Unternehmen wurde im Juli 2016 von einem Team aus KI- und Engineering- Expert:innen gegründet und hat bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten; erst kürzlich wurde contextflow von GE Health- care Canada für den Edison AI Orchestrator Accelerator ausgewählt. ADVANCE Chest CT ist CE-gekennzeichnet und für den klinischen Einsatz in Europa gemäß der neuen MDR verfügbar. disziplinären und wahrscheinlich auch internationalen Austausch und die Inte- gration von Bildern und Befunden, wie wir sie von Tumorkonferenzen schon kennen, zusammen mit Werten, die KI liefert. Dafür muss innerhalb der Kran- kenhäuser und auch der Medizin noch Aufbauarbeit in Bezug auf digitale Infra- struktur und Prozesse geleistet werden. Diese gemeinsame Entwicklung an der Schnittstelle zwischen Medizin und KI ist meiner Meinung nach einer der span- nendsten Aspekte der aktuellen Ent- wicklung. In der Praxis geht es darum, Technologien und Prozesse zu harmo- nisieren, um die Integration von IT-Sys- temen zu vereinfachen. Zusammen mit der interdisziplinären Forschung ermög- licht das die Weiterentwicklung von KI in der Medizin und das enorme Entwick- lungspotenzial zu erschließen. contextflow.com RADIOLOGIE MAGAZIN · 1-2023 39